Lowland Brennereien – Hoch im Kurs

Die Lowlands erstrecken sich über das gesamte Festland südlich einer gedanklichen Linie zwischen Greenock und Dundee. Auf der anderen Seite dieser Linie schließen sich die Highlands an. Wie die Namensgebung vermuten lässt, befinden sich in den Highlands viele Hügel und Berge, während sich die Landschaft in den Lowlands um einiges flacher gestaltet. Früher wurden Lowland Single Malts meist dreifach destilliert und erhielten dadurch einen leichteren Charakter, wie etwa Auchentoshan. Im Aroma sind die Malts meist intensiv und im Körper weich. Traditionell wird nicht rauchiges Malz zur Herstellung verwendet. Dies liegt vermutlich daran, dass früher in den Lowlands die Kohleindustrie angesiedelt war; dadurch war der Gebrauch von Torf zum Heizen nicht üblich. Der typische Lowland-Geschmack ist geprägt durch milde, elegante Noten von Gras, Früchten, Sahne, Ingwer, Karamellbonbons, Toast und Zimt. So kennen und lieben wir unseren Lowland Whisky. Doch in den letzten Jahren ist viel passiert in der schottischen Whiskyregion: Zusätzlich zu den alteingesessenen Brennereien wie Glenkinchie (seit 1837), Auchentoshan (seit 1823), Bladnoch (seit 1817), produzieren eine Reihe an neueren Brennereien wie The Glasgow Distillery (seit 2014), Eden Mill (seit 2012) und Kingsbarns (seit 2014). Des Weiteren gibt es einige ganz neue Brennereien, die sich noch im Aufbau befinden und bisher keine Abfüllungen auf den Markt gebracht haben, wie Rosebank, Port of Leith oder Ardgowan. Hier wird die alte Riege an Whiskys abgelöst, die zwar nicht mehr produziert werden, jedoch noch teilweise erhältlich sind: Whiskys von St. Magdalene/Linlithgow, Ladyburn, Inverleven und Littlemill sind mittlerweile schwer erhältliche und dementsprechend hochpreisige Raritäten geworden. Sie machen Platz für die erwarteten Single Malts aus den neu erbauten Brennereien, wie Port of Leith, Ardgowan und InchDairnie. Wir fragen uns: Was erwartet uns bei den neuen Lowlandern? Wird der Stil ähnlich wie der ‘klassische‘ Lowland-Stil?

Old School: Stil der „alten“ Lowlander
Rosebank wurde 1840 von James Rankine gegründet und der dort hergestellte Whisky war schnell sehr beliebt, vor allem bei Blendern. Im 20. Jahrhundert war er dann auch bei Single Malt Genießern hoch im Kurs, der leichte Charakter stellte einen Gegenpol zum schwereren industriell gefertigten Scotch Whisky dieser Zeit dar. Durch den Verzicht auf Torfrauch und die dreifache Destillation war Rosebank sehr leicht, fruchtig-floral, und dennoch kräftig durch die Verwendung von Worm Tub Kondensatoren, die den Kupferkontakt beeinflussen. 1993 musste Rosebank eingemottet werden, als die weltweiten Whisky-Verkaufszahlen sanken. Lange stand die Brennerei leer, bis im Winter 2008/2009 die originalen Stills und die Mash Tun gestohlen wurden! Zum Glück bedeutete dies nicht das Ende von Rosebank - lesen Sie unten weiter über die aktuellen Entwicklungen in der Lowland BrennereiSt. Magdalene, auch bekannt als Linlithgow, wurde Mitte des 18. Jahrhunderts erbaut und war bis 1912 in privater Hand, als sie von Diageo erworben wurde, zu denen sie nach wie vor gehört. Nachdem die Brennerei 1983 zur Zeit der großen Britischen Rezession geschlossen wurde, verkaufte man das Gelände, welches anschließend zu Wohnungen umgebaut wurde. 2004 füllte Diageo für die Special Releases einen 30-jährigen Single Malt unter dem Namen Linlithgow ab. Das Besondere für die Lowlands: St. Magdalene hatte nur zwei Brennblasen, statt auf eine dreifache Destillation zu setzen. Der Whisky ist - beziehungsweise war - leicht, wachsweich mit dezenten Fruchtnoten von Birnen, Äpfeln und Honig. Typisch Lowlands verfügte er über grasige und zitronige Noten sowie würzige Aromen von orientalischen Gewürzen und Nelken, wie auch schärfere Aromen von Schuhpolitur. Ladyburn wurde 1966 von William Grant & Sons als Erweiterung für Girvan erbaut, um auf zwei Stills für deren Blends Single Malt Whisky zu produzieren. Jedoch war Ladyburn nur zehn Jahre aktiv, wurde bereits 1975 demontiert und es gab nie offizielle Abfüllungen. Der Malt soll ein frischer Whisky mit floralen Aromen und Zitrone gewesen sein. Inverleven wurde 1938 erbaut, um für den Ballantine’s Whisky den Malt Anteil zu brennen, der damals von Hiram Walker and Sons (Kanada) produziert wurde. Als 1988 Hiram Walker verkauft wurde, legte man kurz darauf, 1991, auch Inverleven still. Offizielle Abfüllungen gab es nie, der Charakter des Whiskys war aber tropisch fruchtig. 1772 gegründet, war Littlemill eine der ältesten Brennereien Schottlands: nach über 220 Jahren, mehreren Besitzerwechseln und Stilllegungen wurde die Brennerei 1994 ein letztes Mal geschlossen und 1887 letztendlich demontiert. 2004 brannte, was von dem Brennereigelände übrig war, vollständig ab. Dennoch haben Fässer überlebt, weshalb es nach wie vor streng limitierte Veröffentlichungen von Littlemill Single Malts gibt. Diese sind stets sehr alt (Jahrgänge zwischen 1976 und 1992) und vom Charakter her süß mit Fruchtnoten und durch das hohe Alter ausgeprägte Eichentöne.
 
Zeitgenössischer Stil: Die aktuellen Lowlander
Was wir bisher betrachtet haben, klang nach einem sehr leichten und milden Whisky Stil – kein Wunder, da viele der Brennereien für Blends produzierten. Heute sieht es anders aus: Der Fokus unter Whisky Fans liegt eher auf dem Genuss von Single Malts. Zeigt sich dies auch im Lowland Whisky Stil?
Die Glasgow Distillery wurde 2014 als erste Brennerei in der schottischen Großstadt seit 1902 eröffnet. Ihre Whiskys füllten die Glasgower zunächst als limitierte Releases ab, nun sind es Standardabfüllungen. Bei ’Original Fresh and Fruity’ ist der Name Programm: Frisch und fruchtig ist der Malt geprägt von Beeren, Birnen, sowie süßer Vanille und Toffee. Bei der Abfüllung ‘Peated Rich and Smoky‘ verhält es sich ähnlich: Wie der Name verspricht, ist der Malt rauchig mit reichhaltig fruchtigen und süßen Noten. Der dreifach destillierte ‘Triple Distilled‘ ist ein klassischer Lowlander: Gut ausbalanciert, floral und weich nach Vanille, Karamell und Sahne.
Die 2012 eröffnete Eden Mill Brennerei hat bis dato lediglich limitierte Releases, die jährlich erscheinen – und dementsprechend schnell vergriffen sind. Jedes Release setzt auf unterschiedliche Malzsorten. Die Abfüllung 2018 aus Propino Gerste war - typisch Lowlands - geprägt von Vanille-, Getreide- und Fruchtaromen. 2019 setzte man auf Rohbrände aus Schokoladenmalz und karamellisiertem Malz für einen süßen Malt. 2020 kombinierte Eden Mill die Malzsorten Pale Ale-, Schokoladen-, Karamell- und Stout-Malz und kreierte so einen malzigen und fruchtig-würzigen Malt mit Zimt und Vanillesüße. 2021 wurde nur Pale Ale Malz verwendet, was in einem Aromenprofil mit Karamell, Birnen, Obstkuchen, Haselnussschokolade und Pfeffer resultierte. Man bekommt jedoch den Eindruck, die Releases würden zusehends limitierter: 2021 gab es nur noch 800 Flaschen Eden Mill.
Die unabhängige Abfüll-Familie Wemyss gründete 2014 Kingsbarns. 2019 konnte der Standard Single Malt ‘Dream to Dram‘ erstmals abgefüllt werden. Aus lokaler Fife-Gerste, doppelter Destillation, 90% Bourbon- sowie 10% portugiesischen Weinfässern entsteht der süße, fruchtige und weiche, leichte Lowland Single Malt.
 
Comeback: Stil der neuen Lowlander
Im Februar 2021 begann bei Rosebank der Umbau. Noch gibt es keinen Spirit aus der neuen/alten Brennerei, doch Distillery Manager Malcom Rennie (ehemals Ardbeg, Glen Moray, Kilchoman, Annandale) und sein Team versuchen den Stil von damals nachzuahmen. Sie erinnern sich: Das Brennerei-Equipment wurde aus der Brennerei entwendet. Es gibt zwar noch ein bisschen des originalen Single Malts, jedoch keinen originalen New Make Spirit. Rennie sagt, man könne nicht sagen, ob man richtig liegt, bevor der Whisky für ein paar Jahre gelagert ist. Der neue Stil steht also noch nicht ganz fest, aber die Stills sind exakte Repliken der Originale von Forsyths und man bleibt bei dreifacher Destillation und Worm Tub Kondensatoren, was für einen ähnlich milden Brand spricht wie der Rosebank vor 30 Jahren.
Die in Edinburgh angesiedelte Brennerei Port of Leith soll noch in diesem Jahr fertiggestellt werden. Im Moment laufen Experimente mit dem New Make. Dieser soll ‘komplex und ausbalanciert‘ werden, aber man ist sich noch nicht sicher in welche Richtung es gehen soll. Erst Mitte Februar 2022 füllte man zwei erste ‘Batches‘ der aktuellen Rohbrände für den Verkauf ab. Über den Geschmack ist noch nichts bekannt, jedoch verwendete die zukünftige Destillateurin Victoria Muir-Taylor dafür einen Norwegischen und einen Belgischen Ale Hefestamm.
Die noch nicht errichtete Ardgowan Brennerei hat ebenfalls noch keinen Whisky zum Abfüllen, jedoch bereits einen genauen und transparenten Plan wie dieser werden soll: drei verschiedene Stile, in drei verschiedenen Altersstufen (4, 5 und 7 Jahre) sind geplant: Heavily Peated, Lightly Peated und Unpeated. Ardgowan Heavily Peated wird sehr rauchig und kräftig. Der Whisky soll als erstes im Verkauf angeboten werden, da der Torfrauch dominieren soll und somit keine lange Fassreifung erwünscht ist. Doch auch bis dahin ist noch Geduld gefragt: Der Plan ist, die rauchige Variante vier Jahre reifen zu lassen, also frühestens vier Jahre nach Produktionsbeginn abzufüllen. Der wiederum soll erst im Laufe des Jahres 2023 sein. Kurzum: Mit dem ersten Whisky kann es noch bis Mitte/Ende der 20er Jahre dauern. In Ardgowan Lightly Peated soll der Rauch nicht so sehr dominieren, sondern eher die maritimen Küsten-Aromen und typisch feinen Noten eines Lowland Whiskys. Diesen Stil können wir etwa fünf Jahre nach Produktionsbeginn erwarten. Ardgowan Unpeated bedient sich schließlich dem traditionellen Lowland-Stil mit einem leichten, floralen, feinen Rohbrand. Er soll das Aushängeschild werden und zunächst in limitierter Auflage als 5-Jähriger, und anschließend standardmäßig als 7-Jähriger erscheinen – wohl erst 2030.
InchDairnie plant den ersten 12 Jahre alten Whisky 2029 abzufüllen. Der Spatenstich für die neue Lowland Brennerei war 2014; 2016 begann die Produktion. Im Dezember 2017 destillierte man den Rohbrand für den ersten Whisky, der abgefüllt werden soll. Er trägt den Namen RyeLaw und hat einen hohen Anteil an gemälztem Roggen mit gemälzter Gerste. Roggen wurde in der Geschichte traditionell zur Herstellung von Scotch Whisky verwendet, man besinnt sich also auf die Wurzeln zurück. Die Fässer sollen allerdings erst abgefüllt werden, wenn man sie für ‘fertig gereift‘ empfindet (man peilt 2029 an). Das zweite geplante Release ist KinGlassie, benannt nach dem Heimatort der Brennerei Kinglassie in Fife. Es wird wohl der erste rauchige Whisky aus der Gegend und soll sich ausbalanciert zwischen Torfrauch und Brennereicharakter zeigen. Man strebt mit einer acht- bis zehnjährigen Reifung in Amontillado Sherry- und Bourbonfässern also eher Kaminrauch-Aromen an. Die PrinLaws Collections hingegen, sind experimentelle Destillate aus verschiedenen Getreidesorten, Hefestämmen und Fässern. Das erste Experiment beispielsweise ist hauptsächlich mit gemälztem Hafer und soll in einer Kombination aus Bourbonfässern und ehemaligen Muscatel Fässern aus Portugal reifen. Schließlich gibt es noch den Strathenry Malt, der nicht selbst abgefüllt werden, sondern für Blends produziert soll.
 
Was sagt uns das alles? Um zurück zur Frage vom Anfang zu kommen: Ja, es gibt ihn noch, den klassischen milden, süßen, grasigen Lowland Whisky. Doch die Tendenz sieht danach aus, dass der neue Lowland Whisky nicht mehr so leicht über einen Kamm zu scheren ist und diverser wird. So stellen sich auch die neuen Brennereien breiter auf mit verschiedenen Geschmacksprofilen, Rauchgehalten und Fassreifungen. Diese Entwicklung überrascht nicht bei der zunehmenden Nachfrage nach Single Malts zum Genießen, die Hersteller wollen für verschiedene Geschmäcker etwas anbieten. Doch es gibt auch noch wie früher die Lowland Blending Malts. Es ist also alles beim Alten und alles neu!