Die neue Brennerei von Macallan

36 Brennblasen unter der Erde

Erwähnte man vor 15 Jahren den Whisky Namen Macallan, so verdrehten die Kenner die Augen und schwärmten von so tollen Flaschen wie dem 18 Jahre Gran Reserva oder dem 25 Jahre in der rustikalen Holzkiste. Es war selbstverständlich, dass der Macallan 12 Jahre aus dem Sherryfass stammte und zu Weihnachten legte man 40 Euro drauf und gönnte sich einen 18-Jährigen mit Jahrgangsangabe.

Durch das regelmäßige Erscheinen von bezahlbaren Jahrgangsabfüllungen bildete sich schnell eine breite Sammlerbasis.

Im Jahr 2005 passierte etwas, womit die Genießer nicht gerechnet hatten. Es erschien parallel zu den regulären Flaschen eine neue Serie mit dem Namen Fine Oak. Auch hier gab es 12-, 15- und 18-Jährige. Und wenn man fleißig suchte, so gab es auch mal noch ältere davon. Worin unterschieden sich diese Flaschen von den bisherigen? Nun, statt ausschließlich auf Ex-Sherryfässer zu setzen, verwendete man nun auch Ex-Bourbonfässer aus amerikanischer Weißeiche.

Wie konnte das passieren? Was war der Grund für diese grundlegende Änderung? Die Antwort war sehr einfach. Macallan eilte von Verkaufsrekord zu Verkaufsrekord und die Lagerhäuser begannen sich langsam aber sicher zu leeren. Obwohl die Produktion auf 100 Prozent lief. Nichts ging mehr. Die Muttergesellschaft von Macallan, die Edrington Group, ist auch Eigentümer des berühmten Blends Famous Grouse. Und eben für diesen Blended Whisky wurden bei Macallan auch Ex-Bourbonfässer befüllt. Dieses Lager für die Marke Macallan zu nutzen, war nicht anders als logisch. Der Whisky Maker Bob Dalgarno von Macallan klassifizierte dazu jedes einzelne Fass von Macallan nach 11 verschiedenen, charakteristischen Aromen von Macallan. Damit konnte man nun bereits am Computer eine Vorauswahl an Fässern treffen und für die finalen Abfüllungen noch feintunen.

Unsere Genießer riefen Kassandra ob dieser Änderung und manche nahmen sogar das Wort Blasphemie in den Mund. Zitate wie: „Die Zeit von Macallan ist vorbei“ oder „Dies ist der Anfang vom Ende“ machten die Runde. Doch weit gefehlt. Mit noch mehr Single Malt im Verkaufsangebot rissen sich die Genießer auf der ganzen Welt noch mehr um diese Whiskys. Nicht nur stieg der Absatz, auch die Preise stiegen weiter in den Himmel. Während reguläre Single Malt Whiskys mit Millionenauflage im Preis weitgehend stagnierten, verdoppelte Macallan seine Verkaufspreise in den kommenden Jahren. Wir alle können ein Lied davon singen.

Doch das war noch nicht alles. Viele Sammler wollten sich von Macallan abwenden. Dafür gab es zwei Gründe. Einmal gab es nicht mehr alle Flaschen im jeweiligen Land. Und wer macht schon regelmäßig auf asiatischen Großflughäfen Station und kann dort die jeweilig angesagten Sammelflaschen für vierstellige Summen mitnehmen? Sprach man früher scherzhafterweise von Macallan als dem Rolls Royce unter den Single Malts. Jetzt holte einen die Wirklichkeit ein.

2008 folgte bei Macallan der nächste, logische Schritt. Das alte Brennhaus, das seit der Erweiterung der Brennerei in den späten 60ern und 70ern in einem Dornröschenschlaf lag, wurde wieder zusätzlich in Betrieb genommen. Gleichzeitig entstanden neue Lagerhäuser für die erhöhte Produktion.

Doch auch dies reichte nicht aus, um die ständig steigende Nachfrage zu befriedigen. 2012 folgte der nächste logische Schritt. Es wurde die 1824 Serie eingeführt, die die Whiskys nach natürlichen Farbstufen und nicht mehr nach Alter klassifizierte. Dies ermöglichte ein Unterbringen von etwas jüngeren Whiskys in den Single Malts. Das war der zweite herbe Schlag für einige Fans. Auf einmal sollte ihr geliebter Single Malt kein Alter mehr haben und auf Namen wie Gold, Amber, Sienna und Ruby hören? Gleichzeitig kratzte der Preis des 12-Jährigen aus dem Sherryfass zum ersten Mal an der 100 Euro Marke. Seit 2003 entsprach das nun einer Verdreifachung des Verkaufspreises.

Wie sollte es weitergehen?

Es war um das Jahr 2012, als es das erste Mal Gerüchte um eine neue Brennerei bei Macallan gab. Groß sollte sie werden und das Landschaftsbild nicht stören. Schon die riesigen neuen Lagerhäuser, die 1994 errichtet wurden, hatten im Genehmigungsverfahren für großen Aufruhr gesorgt. Diesmal würde es mit grün anstreichen für eine Genehmigung nicht reichen. Man entschied sich deshalb für eine halbwegs unterirdische Bauweise. Die Brennereigebäude sollten ähnlich den Hobbit-Behausungen (nach J. R. R. Tolkien) mit hügeligen, begrünten Dächern errichtet werden. Doch die Dimensionen wurden ganz anders. Die 120 Meter lange und bis zu 24 Meter hohe Brennerei enthält 36 Brennblasen und verdreifacht damit die bisherige Kapazität auf 15 Millionen Liter Rohwhisky. Der erste Brand erfolgte bereits im Dezember 2017. Im Sommer 2018 gab es dann eine imposante Einweihungsfeier.

Parallel zu dieser offiziellen Eröffnung wurden die neuen Macallan Single Malt Whiskys vorgestellt. Man knüpft aktuell an die sehr erfolgreiche Fine Oak Serie an. Füllt aber auch wieder reine Sherryfass sowie Double Cask Whiskys ab.

Die neue Triple Cask Serie verwendet drei verschiedene Sorten an Eichenfässern. Zunächst Ex-Bourbonfässer, die aus milder amerikanischer Weißeiche gefertigt sind. Dazu kommen Ex-Sherryfässer aus intensiver europäischer Eiche, die Würze aus dem Holz und Frucht aus dem Sherry abgeben. Als i-Tüpfelchen gibt es noch Ex-Sherryfässer aus amerikanischer Weißeiche. Diese runden das Aroma mit einer mild-fruchtigen Note ab.

Bis wir einen Whisky aus der neuen Brennerei werden verkosten können, wird noch viel Wasser den River Spey herunterfließen. Die Pläne, die Macallan mit dieser Brennerei hat, sind noch gewaltiger. In den kommenden 25 Jahren will Macallan seinen Absatz vervierfachen. Das gewaltige Wachstum der Mittelschicht in Asien und anderen Schwellenländern lässt dieses Wachstum möglich erscheinen. Bei der Brennerei ist jedenfalls vorgesorgt. Alles ist so ausgelegt, dass man die Brennerei auf einem schon jetzt vorgesehenen Platz ‚einfach so‘ spiegeln und die Kapazität damit noch einmal auf 72 Brennblasen verdoppeln kann.

Da muss man nicht einen Macallan zu viel genossen haben, dass einem dabei nicht schwindelig wird.