Whisky aus Sherryfässern im Aufwind

Der Wandel des Sherryfasses in der Whiskygeschichte

Single Malt Scotch Whiskys aus Sherryfässern sind beim Genießer beliebt und erzielen in der Regel deutlich höhere Verkaufspreise als die aus Ex-Bourbonfässern. Im vergangenen Jahrzehnt sind mehr und mehr Hersteller deshalb auf den 'Sherryzug' aufgesprungen. Manche Brennerei, wie z.B. Macallan, benutzte für ihre Single Malt Whiskys geschichtlich ausschließlich Sherryfässer. Heute sieht die Sherry-Whisky-Welt ganz anders aus. Dieser Newsletter beschreibt die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Scotch Whisky ganz klassisch in zwei unterschiedlichen Fasstypen gereift. Für das Hogsheads verwendete man Dauben ehemaliger Bourbonfässer. Da Bourbon gesetzlich ausschließlich in frischen Fässern aus amerikanischer Weißeiche reifen darf, fielen in USA schon immer viele gebrauchte Fässer an. Diese Fässer wurden in die einzelnen Dauben zerlegt und man verschiffte sie auf diese Weise platzsparend nach Schottland. Die Arbeitskraft war billig und so setzten die schottischen Küfer sie zu Hunderttausenden wieder zusammen. Damit etwas mehr Whisky in die Fässer passte, machten man aus den Dauben von vier American Standard Barrels (ASB = 55 Galonen = 208 Liter) drei etwas größere Hogsheads (250 Liter).

Der zweite Fasstyp war das spanische Sherryfass, das durch die Vorliebe der Briten in größerer Stückzahl verfügbar war. Das klassische Sherryfass mit 500 Litern Fassungsvermögen wurde schon immer aus kräftiger, würziger, europäischer Eiche hergestellt. Whiskys, die in diesen Fässern reiften, übernahmen damit nicht nur den fruchtigen und mitunter süßen Geschmack des Sherrys. Auch die europäische Eiche hinterließ ihre manchmal heftig bitteren Aromen im Whisky.

Um solche Einflüsse abzuschwächen, war das Mischen von Whiskys aus Hogsheads und Sherryfässern eine beliebte Methode, um den starken Einfluss der europäischen Eiche zu reduzieren. Dabei blieb der fertige Whisky dennoch ein Single Malt, weil die Whiskys aus beiden Fasstypen der selben Brennerei entstammten.

Schotten sagt man eine gewisse Sparsamkeit, ja richtig Geiz nach. Egal ob das nun stimmt oder nicht, schon seit ewigen Zeiten wurden Whiskyfässer in Schottland mehrfach befüllt. Da jeder Whisky der Fasswand Aromen entzieht, werden die Fässer mit der Zeit weniger und weniger aktiv. Nach rund 30 Jahren Verwendung sind die Fasswände weitgehend ausgelaugt und die Fässer werden ausgemustert. Damit der Whisky trotz wiederverwendeter Fässer einen konsistenten Geschmack aufwies, mischte man erneut zur Abfüllung der Whiskys neue und gebrauchte Fässer. Bei den Sherryfässern ergab sich jedoch ein besonderes Problem. Bereits die erste Füllung mit frischem Whisky entzog dem Fass das Sherryaroma fast vollständig, das in den Poren des Eichenfasses von der Erstbefüllung in Spanien übrig geblieben war. Alle Folgereifungen brachten nur noch die würzig-bittere, europäische Eiche hervor.

Die Lösung dieses Problems brachte für die Schotten damals das Paxarette, mit dem die Fässer behandelt wurden. Paxarette ist ein eingedickter bzw. eingekochter Traubensaft, der in Spanien zum finalen Abschmecken von Sherrys verwendet wird. Vor der erneuten Befüllungen der alten Sherryfässer mit Rohwhisky presste man bei der Dichtigkeitsprüfung in Schottland mit Pressluft dieses Paxarette in die jetzt wieder leeren Poren des Fasses. Damit gab das wieder befüllte Fass erneut Sherryaroma an den folgenden Whisky ab.

Noch heute schwärmen die Genießer von den alten Sherryfass-Whiskys der 80er Jahre. Das Hauptargument ist dabei die jahrelange Verwendung der Fässer in Spanien. Man glaubt, dass damit mehr Sherry in den Poren der Dauben 'gespeichert' werde. Heute dagegen werden Sherryfässer meist nur noch eine Saison verwendet, was zum schwächeren Sherrygeschmack führen soll. Mit Nichten! Diese Argumentation trifft den Kern des Problems nicht. Die alten Sherryfässer gaben weniger bittere Tannine der europäischen Eiche an den Whisky ab. Der Großteil der Tannine landete bereits im Sherry, der mit seiner Traubensüße einen schönen Kontrapunkt zur Bitterkeit der Eiche setzt. Der von den Menschen geliebte wunderbare Sherrygeschmack stammte dagegen vom Paxarette, das zuvor in Schottland in die vielfach verwendeten Fässer gepresst wurde.

Ende der 80er Jahre war der Spuk vorbei. Gesetze bzw. Verordnungen verboten in Schottland den weiteren Zusatz von Paxarette zu den wiederverwendeten Fässern. Mit dem zu dieser Zeit anspringenden globalen Single Malt Whisky-Boom benötigte man jedoch mehr und mehr Sherryfässer aus Spanien. Gleichzeitig stellte sich die Welt aber um. Sherry war auf einmal nicht mehr in Mode. Die Verkaufszahlen sanken allein von 2002 bis 2012 von 552.000 hl auf 302.000 hl. Das ist ein Minus von 45%. Und es ist noch kein Ende in Sicht. Die Whiskyhersteller reagierten auf diesen Trend und liehen den spanischen Herstellern kostenfrei die Fässer, die sie anschließend zur Whiskyreifung verwenden konnten. So wurden die Spanier von den Investitionen in Fässer befreit, was bei dem immer weiter sinkenden Absatz half, die Kosten der Sherryherstellung zu reduzieren.

Langfristig konnte das jedoch keine Lösung des Problems bedeuten. Single Malt Whisky expandiert seit Jahrzehnten ungebremst, während der Sherryverbrauch weiter abnimmt. Es tat sich eine immer weiter klaffende Lücke auf. Es ergab sich dadurch ein geschmackliches Problem. Die vielen nur eine Saison zur Sherryreifung verwendeten Fässer aus europäischer Eiche machten sowohl den Sherry als auch den Whisky über ihre abgegebenen Tannine immer bitterer, was der Großteil der Genießer nicht mag. Man trauert ja unwissentlich den alten Paxarettefässern nach. Gleichzeitig stiegen die Produktionskosten in Europa zur Herstellung der Eichenfässer massiv an. Heute kostet ein europäisches Eichenfass bereits deutlich mehr als der darin reifende Sherry.

Die logische Entwicklung war die Umstellung der Sherryfässer in Spanien von würziger, intensiver europäischer Eiche auf weiche und milde amerikanische Weißeiche. Neben der weniger bitteren Reifung des Whiskys sind die US-Fässer durch die dortige großindustrielle Fertigung erheblich preiswerter. Die Preise schwanken stark, doch man kann in etwa davon ausgehen, dass man 80% der Fasskosten durch die Verwendung von in den USA gefertigten Fässern einsparen kann. Die Frachtraten über den Atlantik sind niedrig wie nie und so werden schon seit einigen Jahrzehnten die Fässer aus den USA bezogen. Das Zerlegen der Fässer erfolgt heute nicht mehr. Zu hoch sind zwischenzeitlich die Montagekosten in Europa gestiegen und zu billig sind die Kosten für die Container. Heute kann man den Anteil an amerikanischer Weißeiche in Jerez auf 66-80% schätzen.

Mitte der 90er Jahre begann ein neuer Trend in der Whiskyreifung. Die ersten nach gereiften Single Malt Scotch Whiskys (Finishing) erschienen auf dem Markt. Die wichtigsten Trendsetter waren der Glenmorangie Port Wood Finish und der Balvenie Double Wood. Der bei dieser Reifung ausgenutzte physikalische Effekt ist schnell erklärt. Während einer vergleichsweise kurzen Nachreifephase überträgt sich der Sherry aus den Poren des Fasses in den Whisky. Allerdings ist das Fass nach diesen typischen drei bis sechs Monaten Reifung von 90% des Sherryaromas 'befreit' und damit nicht erneut für das kurzfristige Nachreifen geeignet. Der große Unterschied zwischen Nachreifung in Sherryfässern und der Mischung von Hogsheads bzw. Ex-Bourbonfässern mit lang gereiften Sherryfässern liegt in dem Anteil an Bitterstoffen, die aus den Sherryfässern extrahiert werden. Beim klassisch aus beiden Fasstypen gemischten Whisky sind es vergleichsweise viele Tannine, weil der Whisky für viele Jahre in dem abgebenden Holz lag. Im modern für wenige Monate nach gereiften Whisky sind es dagegen nur wenige. Die Bitterkeit ist geringer, was zwar nicht bei jedem, aber doch dem Großteil der Kunden hervorragend ankommt.

Wie wir von oben bereits wissen, wird immer weniger Sherry in Spanien hergestellt. Es klafft also eine riesige Lücke zwischen benötigten und vorhandenen frischen Sherryfässern. Was man dagegen in fast beliebigen Mengen vorliegen hat, sind Ex-Sherryfässer aus amerikanischer Weißeiche, deren Sherryaroma bereits beim ersten Nachreifen 'verloren' gegangen ist. Es befindet sich aber noch jede Menge 'gutes' mildes Aroma der Weißeiche in diesen Fässern. Was also tun?

Die Lösung dieses Problems ist so praktisch wie sparsam. Man hat über die vergangenen Jahre in Schottland begonnen, Sherry in diesen Fässern erneut zu lagern. Dieser Sherry ist jedoch nicht für den späteren Verkauf gedacht. Nein, er existiert ausschließlich dazu, um den Fässern - ähnlich wie früher mit dem Paxarette - ein zweites, drittes und viertes Leben einzuhauchen. Mit jeder neuen Füllung für vergleichsweise kurze Zeit, füllen sich die Poren der Fässer erneut mit dem gewünschten fruchtig bis süßen Sherryaroma. Dies wird mit der nächsten Nachreifeperiode zusammen mit dem milden amerikanischen Weißeichenaroma an den Whisky abgegeben. Die Fachwelt spricht in dieser Hinsicht von der Reifung in 'feuchten' (wet) Sherry Casks. Das unterscheidet diese Fässer von denen aus Spanien. Bis so ein Fass aus Jerez den Weg zur Brennerei in Schottland findet, vergehen mitunter Monate, während derer das Fass austrocknet, sich Spalten auftun und der Alkohol und das Wasser aus dem Sherry verdunsten. Zwar ist auch in diesen 'trockenen' Sherryfässern noch das volle Aroma enthalten. Sie sind aber trocken und das unterscheidet sie von den 'feuchten'.

Ist so ein Whisky nun ein Fake - eine Täuschung? Darüber lässt sich vortrefflich streiten. Sicherlich kann man einen nur für 2,5 Jahre in Ex-Bourbonfässern gereiften Rohbrand mit weiteren 6 Monaten Nachreifung in einem Wet Sherry Cask aufpeppen und der Mode entsprechend nicht kühlgefiltert und ungefärbt ohne Altersangabe anpreisen. Doch der wissende Genießer erkennt durchaus Unterschiede. Whisky nimmt nämlich nicht nur Substanzen während der Reifung auf (Additive Reifung). Es bauen sich während der Lagerung auch unerwünschte, scharf schmeckende Bestandteile ab (Subtraktive Reifung). Wenn man nun einem Whisky nicht ausreichend Zeit zur subtraktiven Reifung lässt, so wird die Qualität nicht stimmen. Gleiches gilt für die Komplexität eines Whiskys. Über die vielen Jahre in den Fässern wird ein Whisky im Aroma und geschmacklich immer komplexer. Das kann man künstlich nicht hervorzaubern.

Der wissende Genießer erkennt diese Flaschen schon von weitem. Laut ist der Aufschrei der Szene gegen das ständige Erscheinen weiterer hipp nach gereifter Whiskys ohne Altersangabe. Den sogenannten NAS-Whiskys (No Age Statement). Doch diese jungen, modischen NAS-Whiskys können dabei helfen, den aktuellen Whiskyboom soweit mit attraktiver Ware zu versorgen, dass man die Whiskys mit Altersangabe weiterhin anbieten kann. Nichts wäre schlimmer, als die wertvollen, gereiften Bestände vor ihrer Zeit abfüllen zu müssen und es anschließend keine Whiskys mit Altersangabe mehr gäbe.

Dass die lang gereiften Single Malts teurer werden ist ursächlich nicht dem Erscheinen der NAS-Whiskys zuzuschreiben. Es ist vielmehr der alte Zusammenhang von Angebot und Nachfrage. Ohne das hohe Angebot an jung (nach) gereiften Single Malt Whiskys wären die Whiskys mit Altersangabe nur noch teurer.