Schmeckt nicht kühlgefilterter Whisky besser?

Von der Macht des Marketings

Ursprünglicher Whisky aus dem 18. und 19. Jahrhundert war nicht kühlgefiltert. Warum? Die Antwort ist so logisch, wie bestechend. Zur damaligen Zeit gab es noch keine Kältemaschinen und der Whisky wurde, so wie er war, aus seinem Fass naturbelassen abgefüllt.

Mit der weitflächigen Einführung der Kältemaschine Ende des 19. Jahrhunderts begannen die Menschen auch ihren Whisky auf dem jetzt einfacher zu bekommenden Eis zu trinken. Erstaunlicherweise wurde ihr Whisky dabei jedoch trüb. Die natürlichen, mikroskopischen Inhaltsstoffe des Whiskys (Lipide) ballten sich bei der Abkühlung zu sogenannten Mizellen zusammen, die sich als milchige Eintrübung darstellte. Die Lösung dieses 'Qualitätsproblems' war vergleichsweise einfach. Man musste den Whisky nur vorher abkühlen und konnte dann den trüben Niederschlag herausfiltern.

Um 1995, als der Internet-Boom auch die Verbreitung des schottischen Single Malt Whiskys global förderte, war die Kühlfilterung allgemein akzeptierter Standard in der schottischen Whiskyindustrie vom Blend bis zum Single Malt.

Welcher findige Whiskyhersteller bzw. sein Marketer wann auf die Idee kam, die Kühlfilterung wegzulassen und seinen Single Malt Whisky als ursprünglich und unverfälscht anzupreisen, ist dem Verfasser dieses Newsletters leider nicht bekannt. Als eine der ersten in großer Auflage vertriebenen und nicht kühlgefilterten Flaschen erschien im Jahr 2000 der Ardbeg TEN auf dem Markt. Das intensive und rauchige Aroma dieses Single Malts passte zur Werbeaussage, dass dieser Whisky nicht kühlgefiltert und deshalb besonders intensiv und natürlich schmecken würde.

Was ist mitreißender als Erfolg? In schneller Folge und großer Zahl erschienen mehr und mehr nicht kühlgefilterte Verfolger auf dem Markt, die allesamt ins gleiche Horn der Naturbelassenheit und Aromenfülle bliesen. Wer einmal eine große Whiskyabfüllanlage gesehen hat der kann nachvollziehen, was für einen hohen Aufwand die Kühlfilterung eines Whiskys bedeutet.

Den selben Effekt, die Eintrübung zu verhindern, lässt sich ebenfalls mit einer etwas höheren Alkoholstärke erreichen. Füllt man statt mit 40 Vol. % mit 46 Vol. % ab, so hilft der höhere Alkoholgehalt, die Lipide in Lösung zu halten, so dass sie sich nicht zu Mizellen zusammenballen und der Whisky trüb wird. Betriebswirtschaftlich bleibt für den Hersteller auszurechnen, ob der zusätzliche Alkoholgehalt oder die Abkühlung nebst den aufwändigen Filtern mit ihren regelmäßig zu wechselnden teuren Filtermatten teurer kommt. Eines ist auf jeden Fall sicher. Der Kunde ist bereit, für das Mehr an Natürlichkeit durch das Weglassen der Kühlfilterung mehr Geld zu bezahlen.

Wenn Sie meine obigen Worte noch einmal auf sich wirken lassen, so klingen sie nicht sehr positiv für die moderne Errungenschaft des Weglassens der Kühlfilterung. Eher herrscht ein kritischer Unterton vor. Zu recht! Das moderne Marketing verspricht den Menschen das Blaue vom Himmel und wenn man Dingen auf den Grund geht, lösen sich oftmals Marketingaussagen einfach in heiße Luft auf.

Was lag deshalb näher, als den Einfluss der Kühlfilterung auf Whiskys einer wissenschaftlichen Untersuchung zu unterziehen? Genau das haben wir im The Whisky Store 2013 gemacht. 24 unterschiedliche Whiskys (12 Originalabfüllungen, 12 unabhängige Abfüllungen) haben wir mit einer Laboranlage einer Kühlfilterung unterzogen. 72 Flaschen mit insgesamt 50,4 Litern wurden in 1.331 Proben abgefüllt und von 111 Probanden blind verkostet. Die Probanden wurden dabei zu einer Hälfte aus dem Kundenkreis von The Whisky Store eingeladen. Die andere Hälfte stammte aus dem freien The Whisky Forum, in dem auch Nichtkunden diskutieren. Allen Kunden gemeinsam war der hohe Erfahrungsstand in Sachen Single Malt Whisky, der sich in der hohen Anzahl an bereits verkosteten Whiskys darstellte.

Bei der Blindverkostung erhielt jeder der Probanden 12 Proben, von denen sich jeweils zwei nur durch die Kühlfilterung unterschieden. Das war den Probanden natürlich unbekannt. Und um die Teilnehmer nicht ausdrücklich auf die Kühlfilterung hinzuweisen, stellten wir jede Menge zusätzliche Fragen nach Geschmack, Abfüller, Brennerei, Alter, Region, usw., so dass die Frage nach der Kühlfilterung nur eine unter vielen war und völlig unverfänglich in der Mitte des Fragebogens angeordnet war.

Die gesamte wissenschaftliche Arbeit mit dem Versuchsaufbau, dem Fragebogen und der Liste der verkosteten Flaschen nebst der vollständigen Auswertung können Sie sich hier herunter laden.

Das Ergebnis der Untersuchung war überraschend. Im Gegensatz zu den allgemeinen Marketingaussagen kann der erfahrene Genießer das Weglassen der Kühlfilterung geschmacklich nicht feststellen. Auch die geschmackliche Bewertung der Proben zeigte keinen messbaren Unterschied zwischen kühlgefiltert und nicht kühlgefiltert.

Und die Gleichheit setzt sich im Detail weiter fort. Da die Hälfte der Flaschen von renommierten unabhängigen Abfüllern stammte, lässt sich ebenfalls auswerten, dass die unabhängigen Abfüller qualitativ nicht besser oder schlechter als die Originalabfüller abschneiden. Unterschiede wurden zwischen kühlgefilterten und nicht kühlgefilterten Proben durchaus festgestellt. Es ließ sich jedoch keine klare Tendenz in Richtung besser oder schlechter ausmachen.

Am Ende entlarvt sich die Kühlfilterung als reines Marketing. Das Weglassen eines teuren Produktionsschrittes lässt sich wunderbar mit Aufpreis den Whiskygenießer verkaufen.

Doch ein Gutes hat das Weglassen der Kühlfilterung. Mehr und mehr Hersteller gingen in der Vergangenheit dazu über, den Alkoholgehalt ihrer Whiskys bis auf das gesetzlich zulässige Minimum von 40 Vol. % zu reduzieren. Dies war dem Geschmack der Whiskys oftmals abträglich. Nicht kühlgefilterte Whiskys müssen dagegen mit Stärken von mindestens 46 Vol. % abgefüllt werden, um das Eintrüben wirksam zu verhindern. Und eben diese zusätzliche Stärke erlaubt es den Whiskygenießern, ihre Whiskys mit stillem Wasser auf genau die Genussstärke einzustellen, die ihnen persönlich am besten gefällt.

Die an den 1.331 Proben durch 111 Teilnehmer erhobenen Daten bergen noch weitere, riesige Schätze an Informationen, die wir Stück für Stück in den kommenden Jahren veröffentlichen werden. Wir hoffen damit dem Genießer wichtige Kriterien an die Hand geben zu können, damit sein für Whisky ausgegebenes Geld auch zu maximalem Genuss führt und nicht nur die Taschen des Marketings füllt.