Whisky rollt

Gedanken zu unseren Whiskyfässern

Wer die erste Hälfte seines Lebens in der Stadt aufgewachsen ist, für den sind Fässer etwas Besonderes was man nicht alle Tage sieht. Mein erstes bewusstes Fass, das ich im Leben sah, stand an einer Tankstelle und enthielt Motoröl. Meine Jugend war von diversen Ölkrisen gezeichnet und so lernte ich auch schnell über die Fernsehnachrichten den internationalen Begriff Barrel (158-159 Liter) für die Abrechnung von Ölmengen kennen.

Mein erstes Holzfass habe ich dann auf einer Jugendparty kennen gelernt. Es enthielt 30 Liter Bier und war so schwer, wie ein Sack Zement. Fässer, zur Aufbewahrung von Lebensmitteln, sind schon sehr alt. Schon Diogenes soll aus einem Fass heraus philosophiert haben. Doch wir dürfen uns dieses Fass nicht wie ein heutiges Holzfass vorstellen. Es war vielmehr ein großer, irdener Vorratskrug.

Die Besonderheit eines Holzfasses für die Aufbewahrung oder Verarbeitung von Lebensmitteln (Butter, Hering, Whisky, ...) ist das komplette Umschließen des Inhalts, ohne dass er mit anderen Materialien als Holz in Berührung kommt. Dieses Ziel wird erreicht, in dem man mit Metallbändern die Dauben (Seitenteile) und Fassscheiben (Enden) zusammenhält. Die Metallbänder werden mit Nieten zu Reifen geschlossen und auf die einzelnen Dauben aufgeschlagen. Kein Nagel wird dazu verwendet. Um also ein richtiges Holzfass herzustellen, braucht es die weite Verfügbarkeit von Metall in einer Gesellschaft. Im alten Griechenland des Diogenes gab es zwar Metalle, doch diese waren so wertvoll, dass sie nicht weitflächig in der Lebensmittelversorgung der Bevölkerung eingesetzt werden konnten.

Bei den Römern gab es dann schon mehr Metalle. Die ersten Fässer der heutigen Bauform werden den Kelten und den Römern zugeschrieben. Das geht auf Plinius dem Älteren zurück, der eine genaue Beschreibung eines Fasses der Kelten überliefert hat. Doch Eisen blieb noch für lange Zeit ein gesellschaftliches Luxusgut und so blieben die Amphoren noch viele Hundert Jahre das bevorzugte Aufbewahrungsgefäß für Weine und alle anderen Arten von Lebensmitteln.

Als dann die portugiesischen und spanischen Seefahrer zu ihren Reisen in die weite Welt aufbrachen, hatte sich das Fass weitflächig als Standardbehälter für Lebensmittel durchgesetzt. Eingelegte Heringe, Sauerkraut, Wasser, Rum,… Alles was einen Behälter zur Aufbewahrung benötigte, landete im metallumreiften Fass.

Wenden wir uns endlich der Whiskyproduktion zu. Das erste Mal wurde Whisky im Jahr 1494 urkundlich erwähnt. Daraus leiten die Schotten ihren Anspruch als älteste Whiskynation ab. Zur damaligen Zeit war das Fass als stationärer Behälter aber auch als Transportbehälter bereits weit verbreitet. Die Alkoholproduktion fand jedoch nicht zentral in großen Fabriken statt. Vielmehr produzierten tausende an Kleinbauern aus ihrem Getreideüberschuss das Wasser des Lebens. Der Vorläufer des Whiskys war stark gefragt und so wurde der Whisky damals noch nicht in Fässern gereift, sondern mit Honig gesüßt und durch Zugabe von Kräutern geschmacklich verbessert. Bevor unser heutiger Whisky 'das Licht der Welt erblickte', erfreuten sich die Menschen an Kräuterlikören, deren Rezepte von Generation zu Generation weiter gegeben wurden.

Der Übergang zum heutigen Whisky mit seiner Reifung im Eichenholzfass dürfte schleichend vonstatten gegangen sein. Der ursprüngliche 'Treibstoff' der englischen und schottischen Aristokratie war spanischer Sherry, portugiesischer Portwein und der sehr ähnliche Starkwein von der portugiesischen Insel Madeira. Nichts lag näher, als diese seit Jahrhunderten eingeführten und geleerten Fässer für die Lagerung und den Transport von Whisky zu verwenden.

Auch in der neuen Welt jenseits des großen Atlantiks brannten die ausgewanderten Schotten und Iren ihren Whiskey. Doch statt die wenigen, importierten Sherryfässer zu verwenden, wandte man sich der heimischen Eiche für die Herstellung der Fässer zu. Selbst George Washington betrieb neben seiner Getreidemühle eine kleine Brennerei, um die erwirtschafteten Ernteüberschüsse haltbar zu machen. Er war es auch, der die durch den Unabhängigkeitskrieg angefallenen Staatsschulden über die Einführung einer Alkoholsteuer abzuzahlen begann. Das 19. Jahrhundert zeigte in den USA starkes Wachstum, währenddessen sie die Briten als größte Wirtschaftsmacht der Welt überholten. Entsprechend groß fiel die Anzahl an Einwanderern aus, die eines auf jeden Fall hatten: Whisky-Durst.

Steuern, Nachfrage und die stärkere Arbeitsteilung förderten das Entstehen größerer lizenzierter Brennereien und mit ihnen die Errichtung gewaltiger Lagerhäuser, in denen Tausende an Fässern auch heute noch reifen. Dabei war die Vorgehensweise in Großbritannien und USA grundlegend unterschiedlich. Die Schotten reiften in gebrauchten Fässern in niedrigen Lagerhäusern mit gestampftem Naturboden. Auch heute findet man in Schottland immer noch diese Dunnage-Warehouses für den Malt Whisky vor. Doch der Vormarsch großer, industrieller, hoher Lagerhäuser geht immer schneller voran. In diesen neuen Lagerhäusern mit Betonboden lassen sich die Whiskyfässer, stehend auf Paletten, deutlich einfacher bewegen. Dagegen liegen die Fässer in den alten Dunnage-Warehouses nur in wenigen Ebenen aufeinander und man muss schon ein Könner sein, um die Fässer stabil zu lagern. Auf der einen Seite ist es schön, dass runde Fässer prima rollen. Doch wenn man Fässer nicht sichert, dann rollen sie leicht weg. Aus diesem Grund lagen früher die Lagerhäuser gerne leicht unterhalb der Brennerei. So konnte man auf ein paar Schienen die schweren, gefüllten Fässer prima zur Lagerung bergab rollen.

In den USA war das Klima deutlich anders. Im Winter bitterkalt und im Sommer extrem heiß. Dieses andere Klima spiegelte sich auch in den Lagerhäusern wieder. Schon vor über hundert Jahren baute man viele Stockwerke hohe Lagerhäuser, die über eine enorme Anzahl an Fenstern während des heißen Sommers belüftet werden konnten. Die Reifeunterschiede an den einzelnen Lagerpositionen waren jedoch groß. Ein Whiskey aus einem hoch oben unter dem heißen Dach liegenden Fass schmeckte deutlich anders, als einer aus einem solchen, das bei mäßigen Temperaturen mitten im Inneren lagerte. Um dennoch harmonische Geschmäcker aus diesen großen Lagerhäusern zu gewinnen, baute man im Inneren Aufzüge und Holzgestelle ein. Mit den Aufzügen brachte man die Fässer nach oben und über ein kompliziertes Balkengeflecht rollten die Fässer von Tag zu Tag bzw. Woche zu Woche weiter nach unten.

Dieses aufwändigen Rotier-Systeme sind heute schon lange nicht mehr in Betrieb. Zu groß ist der tägliche Aufwand und die Pflege der komplizierten Bahnen. Jim Beam nutzt die Reifeunterschiede an den unterschiedlichen Lagerpositionen trefflich aus und füllt neben den normalen Jim Beam auch immer ganz besondere Fässer als Small Batch Bourbons ab, die sich in den Tiefen der Lagerhäuser finden. Die Whiskeys Baker's, Booker's, Basil Hayden und Knob Creek stammen aus den selben Brennanlagen, wie Jim Beam, doch das Ergebnis ist ein vollkommen anderes. Es macht also durchaus Sinn, sich um die speziellen Fässer zu kümmern.

Noch vor 50 Jahren waren die Jobs der Küfer, der Fassmacher, die bestbezahlten in der Whisky- und Weinindustrie. Die Fässer waren schwer und die Arbeit ermüdend. Mittlerweile haben Maschinen den Großteil der Arbeit erleichtert. Doch wegen der immer noch vorhandenen Handarbeit sind sie in den vergangenen Jahren deutlich teurer geworden. Brachte vor Jahrzehnten das Rollen der Fässer noch eine große Arbeitserleichterung, so hat die runde Form der Fässer heute mehr Nachteile als Vorteile. Der Transport im LKW, das Bewegen mit dem Gabelstapler aber auch die Platzverschwendung bei der Reifung im Lagerhaus, haben findige Menschen auf den Plan gerufen. Ziel war es, einen Flüssigkeitsbehälter aus Eichenholz zu schaffen, der viele Vorteile in sich vereint. Zusammenbau ohne Metalle (Stecksystem); einfache und schnelle Demontage und Wiedermontage für den Leertransport; und zuletzt eine rechteckige Form, um die Stapelbarkeit bei minimalem Raumverbrauch zu ermöglichen.

Erstaunlicherweise haben sich die rechteckigen Holzbehälter trotz ihrer zahlreichen Vorteile nicht durchgesetzt. Nicht in der Weinbranche und schon gar nicht in der Whiskyindustrie. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Sicherlich haben die Whiskygesetze der Schotten und US-Amerikaner, die Fässer zur Lagerung zwingend vorschreiben, das ihre dazu beigetragen.